TAG 11, 15. JANUAR 2012 - DURCH DIE PROVINZ JA'ALAN
Wetter: Sonne, 32°
Der heutige Tag sollte uns weiter die Küste entlang führen. In die Provinz Ja’alan
Zunächst ging es eine ganze Strecke landeinwärts entlang eines hügeligen, steinigen Gebietes. Kurs nach Ras al Jinz änderte sich allerdings die Landschaft. Plötzlich lagen wunderbar weiße Sandstrände neben uns. Und in der Ferne sahen wir auf einmal auch wieder Sanddünen. Richtig schön.
Und so entschlossen wir uns spontan zu einem kurzen Stopp und liefen einen wunderbaren, verlassenen, weißen Strand entlang. Und kamen auf einmal aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Wir fanden solch viele kleine Schätze an diesem Strand – wir sahen vertrocknete Fische, tolle Steinformationen und ganz besonders viele riesige Muscheln. Und alle intakt. Und so viele. Wir konnten die ganzen Muscheln gar nicht alle mit unseren Händen einsammeln. Und so mussten wir schweren Herzens ein paar wieder zurücklassen – diese hätten viel zu viel Übergepäck ergeben… Und auf einmal entdeckte Manu noch einen ganz besonderen Schatz: eine tote, bereits skelettierte Riesenschildkröte. Natürlich konnte er nicht widerstehen, die halb im Sand liegende Schildkröte wieder auszugraben. Der Kopf liegt jetzt im Auto und stinkt. Mal sehen, ob wir den wirklich mit nach Europa nehmen werden…
Nach dem schönen Spaziergang am Strand fuhren wir weiter die Küste entlang. Wir fuhren durch zahlreiche kleine Fischerdörfer und fanden auf einmal sogar ein Dorf, in dem alle Straßen voller Sand waren. Aber da es einmal mehr Mittagszeit und alles ausgestorben war, beließen wir es dabei, einfach nur durch den Ort zu fahren und nicht auszusteigen.
Zwei Mal kamen wir an Stellen, an denen das Meer wohl die Straße weggespült hatte. Denn diese war auf einmal abgebrochen und ein Umweg führte um die Stelle herum. Wirklich erstaunlich. Landschaftlich begleitete uns auf unserer linken Seite immer der Indische Ozean, auf unserer rechten Seite immer ein Wechsel aus Sanddünen, Geröll und Lagunen. Wirklich sehr sehenswert. In Assylah angekommen, drehten wir um und fuhren wieder zurück in Richtung Norden.
Am schönen Strand des Vormittags machten wir erneut einen Halt, zogen unsere Badekleidung an und machten hier ein Picknick. Aber schon bald wurde der Wind so stark, dass wir beschlossen, weiter zu fahren. Zunächst machten wir noch einen Abstecher nach Ras al Hadd (der dritte Versuch!), aber da es hier nicht wirklich etwas zu sehen gab und der Himmel auf einmal ganz grau war (das erste Mal in den letzten 2 Wochen!), fuhren wir zu unserem Hotel in Ras al Jinz.
Hier wollten wir heute im Gästehaus des Forschungszentrums für Schildkröten übernachten. Kaum, dass wir auf unserem Zimmer waren, fielen uns beiden die Augen zu und wir schliefen tief und fest.
Nach dem Abendessen wartete aber noch ein ganz besonderer Ausflug auf uns: es sollte an den Strand gehen, wo wir den grünen Riesenschildkröten beim Legen ihrer Eier zusehen sollten.
Das Sultanat Oman verfügt über acht Naturreservate, die zum Schutz frei lebender Meeresschildkröten eingerichtet wurden, um diese vom Aussterben bedrohten Tiere zu schützen. Meeresschildkröten verbringen nahezu ihr ganzes Leben im Wasser, an Land kommen nur die Weibchen zur Eiablage. Das Spannende ist, dass sie dabei immer wieder an den Strand zurückkehren, an dem sie selbst geschlüpft sind. Ihre durchschnittliche Lebensdauer liegt bei 100 Jahren, ihre Geschlechtsreife erlangen die Tiere erst im Alter von dreißig bis fünfzig Jahren. Algen, Seegras, Muscheln und Quallen sind die Hauptnahrungsmittel der Meeresschildkröten. Die Entfernung zwischen den Niststränden und den Futtergründen kann mehrere tausend Kilometer betragen. So wurden Schildkröten, die in Oman bei der Eiablage markiert wurden, in Somalia, Eritrea, Indien und Pakistan gefunden. Wie sie sich bei ihren langen Reisen orientieren, ist bislang nicht bekannt.
Fünf der sieben weltweit existierenden Meeresschildkröten-Arten kommen an die Küsten des Omans zu Eiablage oder leben in den Gewässern des Landes. Zu ihre Schutz hat die omanische Regierung den etwa 50km langen Küstenabschnitt von Ras al Hadd nach Rals all Khabbah zum Naturschutzgebiet erklärt. Hier dürfen kommerzielle Boote nicht fischen und überall wird das Fangen und Stören von Schildkröten sowie das Ausgraben der Eier mit hohen Geldbußen bestraft.
Schildkrötenmütter hüllen sich zur Eiablage in den Schutz der Dunkelheit und sie lassen sich von der Flut möglichst weit ans Land spülen. Hier suchen sie zunächst einen geeigneten Platz zur Eiablage. Zu einen sollte der Ort oberhalb der Hochwassermarke liegen, zum anderen muss der Sand die richtige Beschaffenheit haben. Ist er zu weich, würden die Wände der Grube einstürzen, ist er zu hart, kann das Tier nicht graben. Hat die Mutter ihre Platzwahl getroffen, beginnt sie mit den Vorderflossen eine Kuhle auszuheben. Mit Schwung schaufelt sie den Sand nach hinten weg und versinkt dabei allmählich so tief, dass gerade einmal ihr ausgetreckter Kopf aus der Kuhle herausschaut. Dann buddelt sie mit ihren Schwanzflossen eine kleine Eikammer in der sie schließlich ihre Eier ablegen kann. Über eine Stunde können diese Grabarbeiten dauern – denn die Mütter legen immer wieder große Verschnaufpausen ein, um wieder zu Kräften zu kommen. Sobald die Schildkröte mit den Ausgrabarbeiten fertig ist, verfällt sie in eine Art Starre, in der sie 80 bis 120 tischtennisgroße Eier in die kleine Kuhle fallen lässt. Um den Fall zu bremsen, hält das Weibchen ihre Hinterflossen unter sie.
Das war wirklich ein bewegender Anblick. Und spannend auch zu sehen, wie die Schildkröte am Ende die Eier in den Sand eingrub. Mit ihren riesigen großen Schaufeln. Während alledem schiebt sich die Schildkröte langsame immer weiter nach vorne. Zuletzt fegt sie den Sand mit ihren riesigen Vorderflossen glatt, so dass ihr Nest für Feinde unsichtbar wird. Wirklich ein toller Anblick. Und wie groß die Schildkröte war – ca. 160kg sagte man uns. Wirklich ein toller Abschluss eines schönen Tages.
Wobei für die Schildkröten damit die Arbeit noch nicht beendet war. Denn nachdem das Weibchen ihre Eier sorgfältig eingegraben hat – was bis zu 2 Stunden dauern kann – kriecht sie zielstrebig und erschöpft in Richtung Brandung – und wird in tieferen Gewässern schon wieder von paarungswilligen Männchen erwartet. Die Begattung findet nur im Wasser statt und kann bis zu 48 Stunden dauern. Und so wird die Schildkröte dann nach ein paar Tagen wieder an Land robben und die ganze Prozedur geht wieder von vorne los. Erst wenn das Weibchen mehrere Nester im Sand vergraben hat, verlässt sie die Küstengebiete des Omans, um dann in zwei bis vier Jahren erneut zur Eiablage zurückkehrt – und dann wieder mehrere tauschend Kilometer Wegstrecke zurücklegt, um an den Strand ihrer Geburt erneut zurück zu kehren.
Das „Ausbrüten“ der Eier übernimmt die Wärme des Sandes. Nach rund sieben Wochen schlüpfen alle Jungen eines Wurfes zur selben Zeit. Dabei spielt die Wärme, in der die jungen Tiere heranreifen eine wesentliche Rolle. Bei einer Temperatur von mehr als 29° schlüpfen nur Weibchen. Bei niedrigeren Temperaturen schlüpfen die Männchen. Und auch ihr Start ins Leben ist Schwerstarbeit. nachdem die kleinen Tierchen in einem Kraftakt die Eierwand durchstoßen haben, schaufeln und strampeln sie sich bis zu drei Tage durch den Sand – und müssen sich dabei gegen ihre Geschwister durchsetzen. Die noch halbblinden Tiere orientieren sich am Lichtschimmer, den das Wasser reflektiert. Aus diesem Grund war es uns auch verboten, mit Blitzen zu fotografieren oder auch Taschenlampen mit an den Strand zu bringen – um die Jungtiere nicht abzulenken.
Auf dem Weg zum Wasser, prägen sich die Tiere auf ganz unbekannte Weise ihren Geburtsort ein und finden diesen dann auch nach vielen Jahren immer wieder, um dort die eigene Eiablage umzusetzen. Einmal am Wasser angekommen, schwimmen sie ununterbrochen eine Woche lang umher. Und nicht nur hier warten die ersten Gefahren auf sie. Möwen, Raubfische, aber auch die moderne Fischerei stellen große Gefahren für die kleinen Tierchen dar. Und so erwächst nur eine einzige Schildkröte aus 20.000 Eiern. Eine erschreckende Zahl oder???